Wiederholte Versuche von Mahmoud Abbas und der Fatah-Führung, ihre schwindende Autorität bei den palästinensischen Massen wieder herzustellen, zeigen nur erneut, dass ihre Perspektive völlig gescheitert ist: Es ist nicht möglich, einen Palästinenserstaat durch ein Abkommen mit Israel und seinem Meister, den Vereinigten Staaten, zu erreichen.
Die Amtszeit von Abbas ist eigentlich schon abgelaufen. Er hat bekannt gegeben, dass er bei den für den 24. Januar angesetzten Wahlen nicht erneut für das Amt des Präsidenten kandidieren werde, worauf seine Sprecher schon den Zusammenbruch der palästinensischen Autonomiebehörde an die Wand malten. Abbas tat diesen Schritt, nachdem er von US-Außenministerin Hillary Clinton gedemütigt worden war. Sie hatte öffentlich darauf verzichtet, den Stopp des Siedlungsbaus in Jerusalem und auf der Westbank als Voraussetzung für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zu verlangen. Dabei war der Siedlungsstopp schon in der Road Map für Frieden im Nahen Osten enthalten. Gleichzeitig lobte Clinton Israel für seine "beispiellosen" Zugeständnisse, weil es sich bereit erklärt hatte, den Siedlungsbau einzuschränken.
Abbas erklärte, ohne einen Siedlungsstopp werde es keine weiteren Gespräche geben. Vertreter der Autonomiebehörde machten auch klar, dass sie von den USA die Bestätigung erwarteten, dass Jerusalem die Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates sein werde. Darauf reagierte die Obama-Regierung mit eisigem Schweigen, besonders weil Washington davon ausgeht, dass Wahlen sowieso unwahrscheinlich sind, weil die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, sie ablehnt. Inzwischen will Abbas die Wahl überhaupt absagen.
Als nächster Schritt gab Fatah bekannt, sie werde die Unterstützung der arabischen Regimes für eine einseitige Unabhängigkeitserklärung suchen und dann vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Anerkennung verlangen. Aber keiner der arabischen Despoten unterstützte diesen Plan. Die USA und die EU schlossen eine Anerkennung umgehend aus.
Schließlich sagte Abbas der BBC, er befürworte die Forderung hoher Fatah-Führer nach einer "dritten Intifada". Aber er ließ keinen Zweifel, dass damit nur eine Ausdehnung der Proteste gegen den Siedlungsbau gemeint sei und dass Fatah nicht etwa einen bewaffneten Kampf gegen Israel unterstütze. Abbas erklärte offen: "Die militärische Option ist nicht realistisch. Wenn ich über eine militärische Lösung spreche, dann meine ich einen Krieg der arabischen Länder gegen Israel. Aber kein arabisches Land ist zu diesem Szenario bereit. Ich bin gegen den bewaffneten Kampf, weil er dem palästinensischen Volk nur Zerstörung und Verderben bringt, wie der letzte Krieg in Gaza bewiesen hat."
Fatah hat die palästinensischen Massen in eine Sackgasse geführt, mit wahrhaft tragischen Konsequenzen. 71 Jahre sind seit der Naqba vergangen, als eine Dreiviertel Million Palästinenser von israelischen Streitkräften aus ihrer Heimat vertrieben und ins Exil getrieben wurden. 55 Jahre sind seit der Gründung der Fatah und der Aufnahme des bewaffneten Kampfes für einen demokratischen und säkularen Staat Palästina vergangen. Vor sechzehn Jahren wurde diese Perspektive zu Gunsten einer "Zwei-Staaten-Lösung" aufgegeben, die 1993 in dem Abkommen von Oslo von Arafat und Abbas unterschrieben wurde. Damals wurde die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) gegründet, angeblich für eine fünfjährige Interimsperiode, die in einen unabhängigen Palästinenserstaat neben Israel münden sollte.
Aber heute sind die Palästinenser in zwei militarisierten Ghettos eingesperrt, auf allen Seiten von Israel umzingelt. Sie sind immer wieder blutigen Invasionen ausgesetzt und werden im Innern von rivalisierenden Sicherheitskräften bedrängt. Eine korrupte bürgerliche Schicht von Neureichen nützt sie aus, während es für Arbeiter und Bauern keine Arbeit, keine Gesundheitsversorgung, kein ausreichendes Essen und nicht einmal genug sauberes Wasser gibt. Der "Friedensprozess" war nur eine Fassade, hinter der Israel seine Kontrolle über Ost-Jerusalem und die besten Landstriche der Westbank konsolidieren konnte und seine Siedlungen enorm ausdehnte. Dadurch wurde das Gebiet der PA von Straßen, Kontrollpunkten und der berüchtigten "Sicherheitsmauer" in viele kleine Stücke zerschnitten.
Dieser Stand der Dinge beweist nicht nur, dass Abbas gescheitert ist, obwohl er persönlich für den Versuch steht, durch ein Bündnis mit Washington (wie das in Oslo) einen eigenen Staat zu erhalten. Keine Fraktion der Fatah bietet eine Alternative zu dieser gescheiterten Perspektive. Hamas steht lediglich für radikalere Protestformen. Es liegt an der Leine von Saudi-Arabien und des Iran und vertritt die rückschrittliche Perspektive eines religiösen Staates.
Wie Leo Trotzki in seiner Theorie der Permanenten Revolution herausarbeitete, ist in der imperialistischen Epoche die Bourgeoisie in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung unfähig, echte wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit vom Imperialismus zu erreichen. Diese Prognose wurde immer wieder bestätigt.
Im ganzen Nahen Osten und darüber hinaus geht der Lebensstandard der Arbeiter und Bauern zurück, während korrupte bürgerliche Cliquen die bestehende wirtschaftliche und soziale Ordnung stützen. Obwohl einige arabische Regimes durch das Öl sehr reich geworden sind, agieren sie im Rahmen der Weltwirtschaft, und diese ist von transnationalen Banken und Konzernen dominiert. Ihr Reichtum hängt von der Ausbeutung der Arbeiterklasse ab. Die Furcht vor einer Bedrohung ihrer Position durch die Arbeiterklasse ist der Hauptfaktor für ihre Loyalität gegenüber der imperialistischen Weltordnung.
Aus diesem Grund verraten die arabischen Staaten wieder und wieder die palästinensischen Massen auf schändliche Weise. Heute sind sie, wie im Fall von Ägypten, direkte Komplizen Israels bei der Unterdrückung der Palästinenser. Während dieses historische Verbrechen seinen Lauf nimmt, äußern sie nur Plattitüden.
Nichts würde sich durch einen neuen palästinensischen Ministaat ändern, der von der palästinensischen Bourgeoisie dominiert wird. Der Kampf der Palästinenser für ihre Befreiung von israelischer Unterdrückung kann nur Erfolg haben, wenn er von einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse ausgeht, die sich gegen alle Fraktionen der arabischen Bourgeoisie im ganzen Nahen Osten richtet.
Entscheidend ist, die jüdische Arbeiterklasse systematisch in diesen Kampf mit einzubeziehen. Die arabischen Massen müssen die reaktionäre Vorstellung zurückweisen, dass das ganze jüdische Volk für die Verbrechen des Staates Israel verantwortlich sei.
Die Gründung Israels war die Antwort der zionistischen Bewegung auf den schrecklichen Genozid, den das europäische Judentum erlitt. Der Faschismus, die Verbrechen des Stalinismus und schließlich der Horror des Holocaust wurden benutzt, um bei der Schaffung Israels die brutale Unterdrückung und Vertreibung der Bewohner der Region zu rechtfertigen. Seitdem ist der Zionismus das größte Hindernis für die politische Entwicklung der jüdischen Arbeiterklasse in Israel. Aber dieses Problem kann überwunden werden.
In Israel nehmen Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Armut zu; das Land ist von tiefen sozialen und wirtschaftlichen Gegensätzen zerrissen. Das führt objektiv zu gewaltigen Konflikten der Arbeiterklasse mit der herrschenden Elite und ihrem militärischen Apparat. Um ihre Existenz zu verteidigen, muss die israelische Bourgeoisie nicht nur die Palästinenser immer schärfer unterdrücken, sondern auch die eigene Bevölkerung, ihre soziale Lage und demokratischen Rechte immer übler angreifen.
Auf der Grundlage der gemeinsamen Interessen der arabischen und der jüdischen Arbeiter kann ein mächtiges Bündnis geschmiedet werden, um nicht nur gegen den jüdischen Staat, sondern gegen alle bürgerlichen Mächte in der Region zu kämpfen.
Das Schicksal der palästinensischen Massen ist untrennbar mit dem der arbeitenden Bevölkerung in der ganzen Region verbunden. Es gibt keine Lösung im Rahmen des bestehenden kapitalistischen Nationalstaatensystems, durch das der Imperialismus seine Kontrolle ausübt. Erforderlich ist die Vereinigung der arabischen und jüdischen Arbeiterklasse mit dem Ziel einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens. Nur auf einer solchen Grundlage können die großen Reichtümer der gesamten Region zum Nutzen ihrer Völker entwickelt werden.